Machbarkeitsstudie zur Frage „Was passiert in familiengerichtlichen Verfahren, wenn der Vorwurf sexualisierter Gewalt im Raum steht?“

Gemeinsame Projektleitung: Prof. Dr. Renate Volbert / Prof. Dr. Jelena Zumbach-Basu

Mitarbeitende: Dr. Jonas Schemmel, Asne Senberg (Jana Otzipka)

Im Auftrag des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend / Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)

Laufzeit 1.4.2024 – 31.3.2025

Sexualisierte Gewalt an Kindern stellt einen bedeutsamen Risikofaktor für eine Beeinträchtigung der weiteren psychischen Entwicklung dar (z.B. Maniglio, 2009), vor dem Kinder wirkungsvoll geschützt werden müssen. Familiengerichten stehen Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, um Schutz vor sexualisierter Gewalt und anderen Kindeswohlgefährdungen zu gewährleisten. Allerdings sind Familiengerichte dabei auch mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Während in Strafverfahren das Hauptaugenmerk auf dem früheren Verhalten mutmaßlicher Täter liegt und diesen die Tat zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden muss, wobei nicht auflösbare Zweifel in dubio pro reo auszulegen sind, steht bei familiengerichtlichen Verfahren der zukünftige Schutz eines Kindes im Vordergrund.

Eine falsche Entscheidung geht hier letztlich immer zu Lasten des Kindeswohls: Das Risiko, dass ein Kind der Gefahr eines weiteren sexuellen Missbrauchs und damit einer erheblichen Beeinträchtigung seiner weiteren psychischen Entwicklung ausgesetzt wird, wenn dieses Risiko verkannt wird, ist offensichtlich. Umgekehrt bedeutet aber auch ein langfristiger Eingriff in Familienbeziehungen und die Unterbindung des Kontakt eines Kindes zu einem Elternteil, der zum Schutz des Kindes nicht notwendig gewesen wäre, eine Beeinträchtigung des Kindeswohls (vgl. Dettenborn, 2001; Dettenborn & Walter, 2015; Kindler & Eschelbach, 2014).

In der Machbarkeitsstudie soll untersucht werden, mit welcher Methode und zu welchen Forschungsfragen die beste empirische Grundlage zum Ablauf familiengerichtlicher Verfahren mit Bezug zu sexualisierter Gewalt geschaffen werden kann. Dabei soll 1) die Möglichkeit einer umfassenden quantitativen Inhaltsanalyse von familiengerichtlichen Akten eruiert werden und 2) eine qualitative Befragung zu Denk- und Verhaltensweisen von Richterinnen und Richtern im Umgang mit sexualisierter Gewalt skizziert werden.

Die Forschungsfragen erstrecken sich über die folgenden vier Blöcke:

  • Fragen zu Fallkonstellationen und deren Häufigkeiten
  • Fragen zur Bedeutung von psychologischen Sachverständigengutachten
  • Fragen zur eigenen Prüfung des Familiengerichts
  • Fragen zu gerichtlichen Entscheidungen und deren Häufigkeiten.

Es wird das Ziel verfolgt, im Rahmen der Machbarkeitsstudie eine Pilotstudie durchzuführen.

Literatur: 
Dettenborn, H. (2001). Die Beurteilung des Verdachts auf sexuellen Missbrauch in familiengerichtlichen Verfahren. Praxis der Rechtspsychologie, 11(2), 17–40.

Dettenborn, H., & Walter, E. (2015). Familienrechtspsychologie. Reinhardt.

Kindler, H., & Eschelbach, D. (2014). Familiengerichtliches Verfahren bei Umgangskonflikten wegen sexuellen Missbrauchs: Ein Diskussionsbeitrag. IzKK-Nachrichten, 1, 73–79.

Maniglio, R. (2009). The impact of child sexual abuse on health: A systematic review of reviews. Clinical Psychology Review, 29(7), 647–657. https://doi.org/10.1016/j.cpr.2009.08.003

Kontakt: r.volbert@phb.de