Vom Ende der Zeit – und was danach kommt. Prof. Storck erhält Fellowship am Käte Hamburger Centre for Apocalyptic and Postapocalyptic Studies

Prof. Timo Storck
Prof. Timo Storck

Wie können wir damit umgehen, wenn wir befürchten müssen, dass die Welt, wie wir sie kennen, untergeht? Und was lehrt uns in diesem Zusammenhang die Beschäftigung mit Untergangsvorstellungen im Rahmen psychischer Erkrankungen oder die Auseinandersetzung mit fiktiven Weltuntergangsgeschichten aus Filmen und Serien? Prof. Timo Storck hat für das aktuelle Wintersemester ein Fellowship am Käte Hamburger Centre for Apocalyptic and Postapocalyptic Studies (CAPAS) erhalten, im Zuge dessen er sich aus psychologischer Perspektive der Erforschung apokalyptischer und postapokalyptischer Narrative widmen wird.

 

Ein Blick in die Nachrichten vermittelt den Eindruck, dass sich die Welt in einem Zustand befindet, der nicht zu Optimismus gereicht. Die Pandemie, die Klimakrise, atomare Bedrohungsszenarien, die Angst vor wirtschaftlichem Kollaps – es scheint schlecht zu stehen um die Zukunft unserer Welt. Es scheint, mit anderen Worten, als stünde eine Apokalypse bevor – ein Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen. Wobei: „unsere“ Welt? Was bedeutet das überhaupt und für wen? Wer verkündet den Untergang? Und müssen dann alle mitmachen?

 

 

Apokalypse Now: Untergangsprognose ohne göttliches Heilsversprechen

Apokalyptische Prognosen sind in der Geschichte der Menschheit nichts neues – im Gegenteil: Die Apokalypse ist zunächst einmal „nur“ die Offenbarung: „Da kommt was auf uns zu.“ Und Vorhersagungen eines nahen Untergangs der Welt gibt es seit Jahrtausenden. Was allerdings aktuelle apokalyptische Szenarien von früheren unterscheidet, ist ihr säkularisierter Kontext und das heißt: die fehlende Hoffnung auf die Erlösung nach dem Untergang der irdischen Welt durch eine göttliche Macht.

 

Wie lässt sich mit Ängsten vor einem Untergang der Welt umgehen, wenn es kein göttliches Erlösungsversprechen gibt? Gibt es auch andere Gefühle als Angst angesichts eines solchen Szenarios? Welchen Beitrag kann die Psychologie an dieser Stelle leisten? Und inwiefern kann es sich lohnen, sich mit fiktiven Geschichten über Zombieapokalypsen und den Niedergang drachenberittener Herrschaftshäuser zu beschäftigen? Fragen wie diesen wird sich Prof. Dr. Timo Storck im kommenden Wintersemester im Rahmen eines Fellowships am Käte Hamburger Centre for Apocalyptic and Postapocalyptic Studies (CAPAS) der Universität Heidelberg widmen, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

 

 

Katastrophische Veränderung: „Ein Danach, das sich nicht aus dem Davor verstehen oder denken lässt“

Was macht dieses Thema für die psychologische Forschung interessant? „Der Begriff Apokalypse bezeichnet einen radikalen Bruch, in dem ein Danach sich nicht linear aus dem Prozess des Davor verstehen, ja, noch nicht einmal denken lässt“, so Prof. Storck. „Das Interessante für mich ist, dass sich bei der Beschäftigung mit so verstandenen Apokalypsekonzepten psychotherapeutische mit gesellschaftlichen Themen verbinden lassen. Wir leben in unsicheren Zeiten und sind angehalten, über Krisen und darüber, wie es danach weitergehen kann, nachzudenken. Dabei geht es nicht ’nur‘ um schwierige Zeiten, sondern um Prozesse und Ereignisse, nach denen es nicht mehr so weitergehen wird wie bisher. Und genau diese Herausforderung lässt sich mit Konzepten und Erfahrungen aus der Psychotherapie verbinden. So kennen wir in der Psychoanalyse das Phänomen der ‚katastrophischen Veränderung‘, der sich Patienten und Patientinnen, aber auch Therapeutinnen und Therapeuten im Prozess des Bearbeitens tiefgreifender psychischer Leidenszustände auszusetzen haben. Auch hier geht es darum, sich einem ‚Danach‘ anzunähern, das nicht Teil eines Übergangs oder Wandels ist, sondern aus einer besonderen Krisenerfahrung resultiert – also einer Erfahrung die darin besteht, ’nicht zu wissen, was kommt‘.“

 

Prof. Timo Storck ist Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie sowie Leiter des Bachelorstudiengangs Psychologie an der PHB. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit psychoanalytischer Konzeptforschung und Methodologie sowie der Kulturpsychoanalyse und Psychologie des Zeiterlebens in gesellschaftlichen Krisen. Im Wintersemester hat Prof. Storck im Rahmen seines Fellowships am CAPAS ein Forschungsfreisemester und wird daher in der Lehre an der PHB vertreten.